Dies ist kein erotischer Text und es werden keine Geschlechtsteile oder Praktiken beschrieben. Der Text bleibt jugendfrei.
Sexualität besitzt eine beinahe ebenso komplexe Struktur, wie die Liebe. Beide Bereiche bauen auf vielen kleinen Klötzchen auf und teilen sich diese in Schnittmengen sogar.
Wenn du einem Menschen zum ersten Mal begegnest, spielen sich in den ersten Sekunden eine Menge Reaktionen im Körper ab. Zuerst siehst du ihn. Du tendierst evolutionär bedingt dazu, gut aussehende Menschen schneller als vertrauenswürdig und sympathisch einzuordnen. Je mehr das Aussehen vom persönlichen Idealbild abweicht, desto mehr muss der Mensch über bestimmte Merkmale verfügen, damit du dasselbe Gefühl bekommst. Diese Merkmale findest du jedoch erst später, wenn du ihn kennen lernst. Falls es dieses Später dann noch gibt und du den Menschen nicht einfach vorbeiziehen lässt.
Danach riechst du ihn (oder sie). Auch wenn dir das nicht bewusst ist, nimmt dein Unterbewusstsein die Ausdünstungen des Menschen wahr. Selbst wenn dein Bewusstsein denkt, es würde nichts riechen. Besonders die Pheromone spielen dabei eine wichtige Rolle. Diese Hormone »versprühen« wir dauerhaft um uns herum. Unsere Nase nimmt sie auf und unser Gehirn kann sie sogar von so starken Gerüchen, wie Schweiß, Alkohol, Knoblauch und Parfum unterscheiden. Pheromone sind eine Kurzbotschaft unserer biologischen Attribute. Sozusagen eine SMS mit dem Inhalt, wie unsere DNS – unser Erbgut – aufgebaut ist. Ist dein Gegenüber mit dir biologisch kompatibel, ist es wahrscheinlich, dass du ihn als angenehm empfindest. Je kompatibler ihr seid, desto wahrscheinlicher ist es, dass ihr zusammen gesunden Nachwuchs zeugen könntet und desto wahrscheinlicher, dass ihr miteinander im Bett landet. Vorausgesetzt die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und eure persönlichen Vorlieben lassen dies zu. Außerdem ist die Identifikation zu gleichartiger DNS wichtig, um sicherzustellen, dass das Erbgut sich vermischt. Sonst herrscht Inzuchtgefahr.
Als drittes wird die Stimme wahrgenommen. Wenn eine Stimme unser Gehör angreift, nehmen wir automatisch Reißaus. Ich bin sehr empfindlich auf den hohen Frequenzen. Hat eine Frau eine sehr hohe Stimme, hat sie bei mir keine Chance. Bestimmte Unter- und Obertöne verursachen bei mir sogar einen Fluchtreflex. Frauen mit tiefer Stimme empfinde ich hingegen sehr angenehm.
Diese drei Punkte entscheiden in den ersten Sekunden, ob ich mich einem Menschen nähere, oder ob ich Abstand zu ihm halte. Im Nachhinein können hier natürlich noch Korrekturen vorgenommen werden, wenn es um Balzverhalten, Manieren, Intellekt und andere höher entwickelten Kriterien geht.
Bei uns Hochsensiblen ist dagegen ein vierter Punkt beinahe ebenso wichtig. Wir nehmen die Ausstrahlung einer Person deutlicher wahr. Wir durchschauen sofort falsche Körpersprache, also die Mimik, den Stand, den Gang und alles das, was beim Normalsensiblen ausgefiltert wird, wenn er eine Person sieht. Wenn die Körpersprache der ersten Sekunde schon nicht mit dem harmoniert, was unser Gefühl uns mitteilt, werden wir misstrauisch. Da wir Stimmungen auffangen, wie Radioempfänger Radiowellen, gleichen wir automatisch den Zustand des Betreffenden mit seiner Körpersprache ab. Meistens weichen wir solchen Menschen ebenfalls aus. Ebenso, wenn alles harmoniert, aber gefühlsmäßig nicht zu uns passt. Da kann jemand noch so hübsch sein, wenn die Augen Kälte ausstrahlen oder der Mensch uns als arrogant, gewalttätig oder einschüchternd erscheint (diese Liste kann von dir geändert oder noch fortgesetzt werden) treten wir ebenfalls einen Schritt zurück. Andererseits begeistern wir uns spontan für Menschen, bei denen Normalsensible Vorurteile wegen deren Aussehen hegen, weil wir sofort merken, dass sie herzensgut, gütig, lustig, offen und ehrlich sind.
Deswegen ist es für durchschnittlich aussehende Hochsensible noch schwieriger, einen passenden Partner zu finden. Hochsensible sind bekanntlich in der Minderheit und oft stimmt unser Befinden nicht mit dem überein, was wir unserer Umwelt versuchen, weiszumachen. Schließlich sind wir darauf getrimmt, nicht zu emotional zu erscheinen.
Das, was danach geschehen muss, um einen Menschen »ins Bett zu bekommen«, gestaltet sich bei uns auch nicht viel einfacher. Vor allem hochsensible Männer haben durch ihre Einfühlsamkeit und Empathie oft in jungen bis mittleren Jahren Schwierigkeiten. Frauen sind von der Evolution darauf konditioniert, selbstbewusste Männer zu wählen, die nicht unbedingt zimperlich mit ihnen umspringen. Der Mann muss dazu fähig sein, die Kinder zu schützen, komme, was wolle und die Führung der Familie übernehmen können. Das trauen sie instinktiv hochsensiblen, zurückhaltenden und oft introvertierten Männern nicht zu. Obwohl gerade diese Männer als Einzige dazu in der Lage wären, die Gefahren vorauszuahnen und zu umgehen. Während die andere Sorte Mann blind auf die Gefahr zusteuert und versucht, sich hindurch zu kämpfen.
Sind die Frauen aus dem gebärfähigen Alter heraus, gestaltet sich ihre Suche nach dem passenden Mann wiederum ganz anders. Ihr Bedürfnis nach Nähe, Verständnis und Herzenswärme ersetzt den Fortpflanzungstrieb.
Sind die Partner endlich im weichen warmen Bett gelandet, ist es bei Hochsensiblen natürlich auch alles ganz anders, als bei Normalsensiblen. Letztere haben oft keine Bedenken und »treiben es ganz schön bunt« mit vielen Partnern. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Hochsensible hingegen benötigen häufig erst einmal eine sichere Umgebung, emotionale Sicherheit und Vertrauen zu ihren Bettgenossen. Etliche hochsensible Männer, die ich kennen gelernt habe, würden niemals zu einer Prostituierten gehen. Und wenn, dann immer nur zu der einen, die sie auch sympathisch finden und zu der sie Vertrauen aufbauen können. Genauso wenig würden sie One-Night-Stands suchen oder eingehen.
Unser Sicherheitsbedürfnis ist einfach viel höher, als bei den meisten Normalsensiblen, da wir sehr schnell in jungen Jahren besonders deutlich die Unsicherheiten und negativen Seiten des Lebens vor Augen geführt bekommen. Wie alles andere verarbeiten wir diese auch noch gründlicher.
Es gibt noch mehrere Hindernisse zu umschiffen. Je nachdem, wie deine Filter ausgeprägt sind, wirst du schon bemerkt haben, welche Sensoren bei dir besonders empfindsam sind, welche Sinne du besonders stark wahrnimmst und verarbeitest. Dementsprechend können dich die Sinne beim Sex schnell überreizen, da der Akt alle deine Sinne besonders stark fordert.
Wer zum Beispiel sehr gut sieht, den können unästhetische Reize stören. Sieht der Sexualpartner angezogen noch sehr ästhetisch aus, so kann er nackt ganz anders wirken. Haare oder Falten an den falschen Stellen, Ausschläge, Pigmentstörungen, Knötchen, Narben, Körperschmuck, Tätowierungen. Das alles kann sich störend auswirken.
Menschen mit gutem Gehör können sich schnell an den Lauten stören, die der Partner während des Beischlafs von sich gibt. Eventuell ist es die falsche Tonlage, die falsche Lautstärke (auch zu leise kann verstören) oder es ist zu viel oder zu sehr geschauspielert.
Wenn du sehr geruchsempfindlich bist und im Bett feststellst, dass der Partner unangenehme Gerüche an sich trägt, die während des Aktes auftreten, wird es ebenso unangenehm für dich. Sollte der Schweiß nicht gut riechen, oder die Haut aus der Nähe nicht deinen Geruchsvorstellungen entsprechen, dann kann das schnell abtörnend wirken.
Bei Hochsensiblen mit erhöhter Wahrnehmung über die Hautsensorik, kann es passieren, dass zu viele Berührungen, ebenso wie zu kräftige Berührungen, zu viel Streicheln auf der Stelle, Kratzen und Beißen oder sogar schon leichte Knabbereien verstören. Andererseits kann es ebenso gut sein, dass sich der Partner nicht richtig anfühlt. Die Haut nicht weich oder hart genug, zu viele oder zu wenig Muskulatur, zu glatte oder zu strohige Haare.
Alle diese Faktoren können dich so aus dem Tritt bringen, dass du abgetörnt oder überreizt wirst. In beiden Fällen erfährst du keinen Lustgewinn. Wenn du überreizt bist, hoffst du, dass alles schnell vorbei geht und du dich in eine ruhige Ecke verziehen kannst.
Es gibt auch Menschen, die dich grundsätzlich im Bett überfordern und überreizen, weil sie zu wild sind und zu viel gleichzeitig fordern. Zu viele Stellungen nacheinander in zu schneller Abfolge, so dass du gar nicht hinterher kommst, mit dem Erfühlen, wie dies und jenes sich für dich darstellt. Oder sie sind zu zurückhaltend, weil sie dich nicht überfordern wollen und du kommst nicht auf deine Kosten.
Eine weitere Besonderheit erfahre ich selbst, sobald ich eine neue Partnerin kennenlerne. Bisher war es immer so, dass nach der ersten sexuellen Begegnung am nächsten Tag ein schwerer emotionaler Kater einsetzt. Ich fühle mich leer, überfordert und will am liebsten die ganze Beziehung sein lassen. Es befindet sich eine gewisse Traurigkeit in mir und ich frage mich, ob es das wirklich wert ist. Deswegen schrecken mich One Night Stands und ähnliche Situationen ab. Zuerst meinte ich, dass es ein negativer Wink des Schicksals ist, dass dieses Gefühlswirrwarr auftritt, doch mittlerweile habe ich gelernt, es durchzustehen und einfach abzuwarten, bis es weg ist. Es hat sich gezeigt, dass der Zustand jedesmal auftritt und nichts mit Schicksal oder Karma zu tun hat. An solchen Tagen sorge ich gut für mich und gönne mir viel Ruhe. Genügend Trinken und gutes Essen helfen bei der schnelleren Überwindung des Katers. Neulich lernte ich eine Frau kennen, die ebenfalls hochsensibel ist und ebenfalls jedesmal denselben emotionalen Kater erlebt. Das brachte mich erst darauf, dies hier zu erwähnen.
Es ist wichtig, dass du auf jeden Fall ehrlich zu dir selbst bist und für dich entscheidest, ob es der richtige Partner fürs Bett für dich ist. Nimm keine Rücksicht auf das, was dein Umfeld meint. Sex, bei dem du dich jedes Mal an etwas störst, bei dem du jedes Mal überreizt oder überfordert bist, bringt dir keine wirkliche Befriedigung und ist unerfüllt. Du baust keinen Stress ab, sondern noch mehr auf und willst am liebsten immer weniger Sex haben. Es gibt drei Lösungen: Entweder du nimmst es hin und bist immerfort unbefriedigt, verstört oder sogar unglücklich oder du trennst dich von dem Partner und suchst jemand, der besser zu dir passt. Die dritte Lösung ist wie immer die schwerste: Reden. Rede offen und ehrlich mit deinem Partner. Es sollte auch in seinem oder ihrem Interesse liegen, dass du erfüllten Sex hast. Dann müsst ihr besprechen, was du gut findest, was dich stört, was man ändern könnte, damit ihr beide zu Eurem Wohlbefinden findet. Du solltest eindeutig klar machen, dass den Partner keine Schuld trifft und du nicht mal nach einem Schuldigen suchst. Es ist einfach deine Wahrnehmung. Sollte den Partner dein Wohlbefinden nicht interessieren, wäre es ein sicheres Zeichen, die Beziehung nochmal gründlich zu überdenken. 😉 Ich übernehme an dieser Stelle keinerlei Haftung für Folgeschäden aus dem Lesen dieses Textes. Ich empfehle keine Trennung, sondern eindeutig die Kommunikation. Welche Schlüsse der Leser für sich zieht, steht in seiner eigenen Verantwortung.
Für uns ist diese Kommunikation besonders schwer. Vor allem für die introvertierten Hochsensiblen. Geht es einfach ganz sanft und vorsichtig an. Dann kann Euch so gut wie nichts passieren. Im schlimmsten Fall findet ihr mehr über Euren Partner heraus und im besten Fall lernt ihr ihn von einer sehr tollen Seite kennen. Nehmt es einfach als Übung für eure Persönlichkeitsentwicklung. Schritt für Schritt Resilienzen aufbauen und Vertrauen dazugewinnen ist die Devise.
<Schlafrythmus und Ernährung | Streits – Du kannst sie nicht gewinnen> |
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Ich bitte Sie, das Vorwort und das Kapitel Selbstentwicklung zu lesen, bevor Sie fortfahren.