»Oh mein Gott, jetzt hab ich dieses HSP, das ich ja gar nicht haben will! Was mache ich jetzt?«
Ihr erster Impuls könnte sein, dass Sie alles verleugnen und unterdrücken möchten, da Sie ja auf keinen Fall die Nachteile eines Hochsensiblen haben möchten. Das wäre genauso, als wenn ein Kind die Augen schließt, damit Sie es nicht sehen können. Vollkommen unnütz. Sie würden sich das Leben nur noch schwerer gestalten oder so schwer, wie bisher. Wenn Sie weitermachen wie bisher, werden Ihre Belastungen nur zunehmen und Sie werden sich selbst und ihr Wesen unterdrücken.
Pawlowsche Versuchsanordnung
Denn Hochsensibilität ist keine Krankheit, deswegen nicht heilbar und verschwindet schon gar nicht von allein wieder. Es ist die Art und Weise, wie Ihr Wesen und Ihr Körper funktionieren.
Aber die gute Nachricht: Wenn Sie lernen, mit der Hochsensibilität zu leben und Ihre Bedürfnisse nicht nur anzuerkennen, sondern auch zu erfüllen, dann wird Sie ein wundervolles, erfülltes Leben erwarten. Sie sind dann nur nicht mehr »normal«. Aber das waren Sie von Anfang an sowieso nicht.
Iwan Pawlow hat bereits Anfang letzten Jahrhunderts Versuche zur Belastbarkeit der Menschen durchgeführt. Der Versuchsaufbau umfasste die Beschallung der Probanden mit Geräuschen in zunehmender Lautstärke. Die Probanden wurden bis an ihr Limit getrieben, an dem die Lautstärke schmerzhaft wurde. Dabei kristallisierte sich eine Gruppe von Probanden heraus, die viel früher, also bei viel niedrigerem Lautstärkepegel angab, Schmerzen zu spüren. Diese Gruppe umfasste zirka 15 %.  Innerhalb dieser Gruppe gab es Menschen, die früher ihre Belastbarkeitsgrenze erreichten und andere, die später reagierten. Doch erstaunlich fand Pawlow, dass die beiden Gruppen merklich getrennt reagierten. Es gab keinerlei Übergang. Das bedeutet, dass die normalsensiblen Menschen (85 %) viel unempfindlicher und unsensibler sind als die hochsensiblen.
Dreht man die X‑Achse um, sodass die Empfindlichkeit von null bis unendlich dargestellt wird, sieht man, dass eindeutig eine Gruppe von unempfindlicheren Menschen rechts getrennt von einer Gruppe empfindlicherer Menschen steht. Da dieses Experiment nur die Belastung des auditiven Sinnes darlegt, wurden in der Zwischenzeit u.a. von Dr. Elain Aron Untersuchungen auf Basis psychologischer Tests vorgenommen, die auf einen Prozentsatz zwischen 17,5% und 20% hochsensibel veranlagter Menschen in der Bevölkerung hinweisen. Auch hier stellte sich heraus, dass die restlichen 80% der Teilnehmer weit weniger Merkmale der Hochsensibilität aufweisen.
Deswegen nimmt man an, dass sich hochsensible Personen schon sehr in ihrer Wahrnehmung und Belastbarkeit von nicht hochsensiblen Menschen unterscheiden. Es gibt also wahrscheinlich keine »nur ein klein bisschen hochsensible Menschen«.
Positiv formuliert: Sie haben also einen Satz erweiterter Sinne mit ins Leben bekommen! Freuen Sie sich! Wenn Sie lernen, mit ihren Sinnen und Ressourcen umzugehen, dann werden Sie eine großartige Verbesserung Ihrer Lebensqualität erreichen! Sie können diese Sinne für sich nutzen oder anderen damit helfen, so wie es Ihnen entspricht.
Normalität wird weithin überschätzt. Was die Menschheit wirklich braucht, sind sensible Menschen mit Herz und Verstand, die für sich und andere sorgen und durch ihre Empathie andere verstehen können. Wenn mehr Menschen ihre Sensibilität und Empathie leben würden, dann würde die Welt ganz anders aussehen.
Die Augen zu schließen und zu verdrängen, hat noch niemanden weiter gebracht. Die Vorteile und Limitierungen existieren und lassen sich nicht wegdiskutieren.
Doch sich selbst anzunehmen, wie man ist und sich weiterzuentwickeln, ist eine besondere Gabe, die viele Menschen in ihrem Leben nicht haben oder nicht nutzen.
Lernen Sie ihre Fähigkeiten lieben, lassen Sie Ihre Ängste, ihren Perfektionismus, Ihre Ungeduld los. Lernen Sie sich abzugrenzen. Sie werden feststellen, wie einfach und gelöst Ihnen danach der Umgang mit sich selbst fällt. Auch ihre Umgebung wird positiv auf Ihre Entwicklung reagieren.
Einen Weg, wie Sie das schaffen können, will ich Ihnen in diesem Buch vorstellen. Stecken Sie nicht den Kopf in den Sand, sondern sagen Sie sich: »Augen, Ohren, Herz und Seele auf und dann durch!«
Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich eine der vielen HSP-Selbsthilfegruppen oder Treffen anzuschließen, um Gleichgesinnte kennen zu lernen und sich mit ihnen auszutauschen. Mir hat das viel gebracht. Denken Sie immer daran. Diese Menschen haben allesamt ähnliche Probleme wie Sie.
<Der Test von Dr. Elaine Aron | Hochsensibel gegen empfindlich> |
Sie befinden sich mitten im Buch. Starten Sie mit dem Lesen bitte am Anfang.
Ich bitte Sie, das Vorwort und das Kapitel Selbstentwicklung zu lesen, bevor Sie fortfahren.