Jeder von uns hat in seiner Vergangenheit Erlebnisse hinter sich gebracht, die ihn bis zum heutigen Tag verfolgen. Diese negativen Ereignisse und ihre Folgen haben wir noch nicht abschließend verarbeitet. Wir stehen den Personen, die diese Erfahrungen verursacht haben, meist negativ gegenüber und tragen ihnen nach, dass sie uns verletzt, oder uns in eine schlimme Lage gebracht haben. Zuerst einmal muss ich dazu sagen, dass dazu immer zwei Personen nötig sind: Der, der es tut und der, der es mit sich machen lässt. Selbst nichts tun und ertragen oder wegschauen sind der Teil, den du verursacht hast. Du trägst also in den meisten Fällen mindestens deinen Teil bei, gerade wenn du jetzt innerlich empört aufschreist. Wenn jemand dir zum Beispiel »weggestorben ist« und du dich »von ihm allein gelassen fühlst«, dann halte dir vor Augen, dass wir alle nur eine begrenzte Lebensspanne haben und es deine Aufgabe ist, den Weggang desjenigen zu verarbeiten und ihn in Frieden ruhen zu lassen.
Selbst wenn du komplett “schuldfrei” an einer Misere bist, ist es wichtig für dich, das Geschehene zu verarbeiten und es loszulassen. Denn eigentlich geht es nicht um Schuldzuweisungen. Es geht darum, zu vergeben und loszulassen.
Alles, was in der Vergangenheit schief ging, hat mit dazu beigetragen, dass du der Mensch wurdest, der du heute bist. Der Punkt JETZT ist immer der Startpunkt für Verbesserungen. Um dich aus deinen heutigen Verstrickungen zu lösen, musst du wohl oder übel die Vergangenheit bewältigen.
Die Schuld für dein Elend solltest du in keinem Fall ausschließlich bei deinen Eltern suchen. Jeder begeht in seinem Leben viele Fehler, davon kannst du dich auch nicht frei sprechen. Außerdem bist du irgendwann einmal im Laufe deines Lebens erwachsen geworden und trägst damit die volle Verantwortung für deine Weiterentwicklung selbst. Diese beinhaltet ebenfalls, dass du dich jederzeit ändern konntest und kannst. Also gib deinen Eltern nicht die Schuld, dass du so bist, wie du bist. Die Psychoanalyse macht es sich oft viel zu leicht, die »Schuld« immer nur in der Kindheit zu suchen. Das ist totaler Quatsch. Deine weitere Entwicklung hast du selbst mit zu verantworten. Wenn du es bisher nicht geschafft hast, dich von dem zu lösen, was deine Eltern dir vorgelebt haben, oder wie sie dich erzogen haben, so ist es ganz und gar deine Sache. Ebenso verhält es sich mit den Dingen, die dir deine Geschwister »angetan« haben.
Es wird JETZT Zeit, dich zu lösen. Wenn du dazu eine Psycho- oder Traumatherapie benötigst, dann kümmere dich darum, dass du sie erhältst.
Eine Eigenart, die viele Hochsensible mit sich herumtragen sind die »Inneren Eltern« und »Inneren Partner«, die zum Teil auch deine Vergangenheit beherrschen, aber auch in die Gegenwart reichen. Deswegen haben sie ein eigenes Kapitel erhalten.
Resümee: Solange du anderen die Schuld an etwas gibst oder eine Schuld im Außen suchst, hast du die Situation noch nicht verarbeitet. Schuldzuweisungen bringen dich nicht weiter, also kannst du diese auch gleich mit loslassen, wenn du schon dabei bist. Der einzige Mensch, der darunter leidet, indem er anderen böse ist, bist du selbst.
Wie kann ich verarbeiten?
Wichtig! (Deswegen nochmal zur Wiederholung:) Sollte es sich um Traumata handeln, konsultiere bitte umgehend einen Traumatherapeuten. Traumata können die wenigsten Menschen selbst auflösen. Auch wenn dir das Trauma bekannt und bewusst ist, gibt es immer unterbewusste Ängste, die sich manifestiert haben und die du mit der Hilfe eines Profis aufarbeiten musst.
Für alle »kleineren Konflikte« gilt Folgendes:
Halte es einfach. Mach dir eine Liste mit den Punkten deines Lebens, die dir sauer aufstoßen, über die du nicht gerne nachdenkst, die du nicht gerne nochmal erleben würdest. Egal ob du das im Kopf notierst oder auf einem Zettel, gehe die Punkte nun nach und nach durch. Verarbeite sie abschließend. Erlaube auch dir selbst zu vergeben, wenn du andere verletzt oder ihnen etwas angetan hast. Wie gesagt: Wir alle machen Fehler, niemand ist perfekt und Vergebung ist eine unserer wichtigsten Eigenschaften. Solltest du dich mit jemandem verkracht haben und dies bereuen, suche denjenigen doch vielleicht einmal auf und entschuldige dich bei ihm.
Wenn du die Vergangenheitsbewältigung nicht alleine schaffst: Ein guter Zuhörer aus deinem Freundeskreis mit guter Menschenkenntnis, Empathie und gesundem Menschenverstand kann auch helfen, die Vergangenheit zu bewältigen.
Oder suche dir einen guten Psychotherapeuten, der Gesprächstherapien anbietet.
Für die Aufarbeitung von Erfahrungen, in denen Euch Menschen verletzt haben, empfehle ich als Ergänzung die Parabel: »Ich bin das Licht! Der kleine Engel spricht mit Gott« von Neal Donald Walsch, die mir sehr geholfen hat, verschiedene Aspekte meiner Vergangenheit zu verarbeiten. Auch Atheisten und Agnostiker können aus der Geschichte einen Gewinn ziehen.
Der zweite Punkt betrifft die Konditionierungen, die uns geprägt haben. Jeder von uns wird mit verschiedenen Regeln, Meinungen, Dogmen, gesellschaftlichen Anforderungen, freundschaftlichen oder partnerschaftlichen Erwartungen und gängigen Verhaltensweisen konfrontiert. Diese prägen uns teilweise sehr stark. Sie formen unsere Vorstellung von dem, was wir dürfen und nicht dürfen, was von uns erwartet wird, was uns Menschen zutrauen oder nicht und was wir zu tun und zu lassen haben. Normalsensible ignorieren viele dieser Muster. Wir hingegen neigen dazu, uns zu viele einzuprägen und zu den unsrigen zu machen. Wir kommen den Erwartungen freiwillig nach und wollen uns dadurch anpassen.
Die ganzen Erwartungen und Anforderungen passen häufig gar nicht zu unserem eigentlichen Wesen, sondern fesseln uns oder legen uns sogar in Ketten. Wenn jemand kreativ ist und das Umfeld meint, man solle das lieber nicht ausleben, da man sonst als unnormal gelte und auffalle. Selbst wenn man ihm sagt, dass es komplett unnütz sei, was man da tue, sollte der Kreative das komplett ignorieren und einfach das tun, was er für richtig hält. Genauso ist es mit anderen Verhaltensweisen, die man uns eintrichtert:
Sei nicht so laut. Störe nicht deine Mitmenschen. Dränge dich nicht auf. Sei hilfreich, auch wenn es über deine Grenzen geht. Nimm dich nicht so wichtig. Rede nur, wenn du gefragt wirst. Deine Meinung interessiert niemanden. Wer bist du überhaupt, dass du solche Weisheiten verkünden willst? Warum maßt du dir an, darüber Bescheid zu wissen? Sei nicht so ein Klugscheißer. Benimm dich, falle nicht auf! Immer schön den Kopf unten halten und so sein, wie alle anderen. Deine Neigungen und Interessen sind nicht normal.
Solche Dinge halten dich gefangen. Du wirst immer unsicherer, je öfter du diese Aussagen hörst. Doch was unterscheidet dich von all den anderen Menschen, die sich nicht an diese Weisungen halten und die ihre Meinung einfach kundtun? Die reden, ohne gefragt zu werden und oft hilfreiche Tipps geben? Musst du wirklich jedem helfen, auch wenn du dich dabei nicht gut fühlst oder gar keine Lust dazu hast? Musst du immer nur Rücksicht auf andere nehmen? Musst du so tun, als seist du wie alle anderen?
Nein! Musst du nicht. Du kannst jederzeit damit aufhören, dich von so einem Blödsinn und Unfug leiten zu lassen. Deine Meinung ist genauso wichtig, wie die aller anderen. Wenn du über etwas Bescheid weißt, dann bist auch du ein Experte auf deinem Gebiet und andere werden dir zuhören. Du kannst sicherlich wertvolle Hilfe leisten, aber nur innerhalb deiner Grenzen, deiner Kraft und deiner Bereitschaft. Du musst auch und zu allererst an dich denken. Darauf achten, dass es dir gut geht. Wenn es dir nicht mehr gut geht, sondern du durch deine Handlungen krank wirst, wem kannst du dann noch helfen? Auf dich selbst Rücksicht zu nehmen macht dich nicht zu einem Egoisten, sondern zu einem gesunden Menschen.
Löse dich von dem, was du in deinem Inneren als falsch identifizierst. Wo du schon immer vermutet hast, dass es so nicht richtig sein kann, wird es nicht richtig sein. Höre auf dein Gefühl dafür, was für dich richtig und falsch ist. Traue dich, diese falschen Dinge loszulassen. Denke daran, dass eine Eigenschaft der Hochsensiblen die ist, die Wahrheit schnell erkennen zu können. Lasse einfach eins nach dem anderen los. Sprich mit anderen Hochsensiblen, wie sie darüber denken. Tausche mit ihnen Erfahrungen aus. Probiere einfach Schritt für Schritt aus, was passiert, wenn du anders handelst. Sicher, wenn du nicht mehr so funktionierst, wie andere es von dir erwarten, wirst du Menschen enttäuschen, die nur Erwartungshaltungen an dich haben. Doch sind das Menschen, die dir gut tun? Wie steht es mit Menschen, die dich nur herunterziehen, nehmen und verlangen, aber nichts geben. Was ist mit jenen, die dich nicht so akzeptieren, wie du bist, sondern dich so formen wollen, wie sie dich brauchen? Tun dir dir gut, die dich manipulieren? Oder willst du lieber Zeit mit Menschen verbringen, die dich mögen, achten und respektieren, wie du bist? Die gibt es nämlich, gerade unter Hochsensiblen.
Eine wundervolle Parabel, die ich aus einem Buch von Terry Pratchett entlehne ist der Hummereimer. In einem Eimer befinden sich viele Hummer, die in Bälde in den Kochtopf wandern sollen. Einige der Hummer versuchen, aus diesem Eimer zu entkommen. Doch jeder, der es wagt, den Rand zu erklimmen, wird von der Gemeinschaft der restlichen Hummer wieder zurückgezogen. Der Grund dafür ist ganz einfach: In der Masse ist man sicher, wenn man über den Rand des Eimers klettert, lauert Ungewissheit auf dich. Dass zum Schluss alle Hummer gekocht werden, die sich im Eimer befinden, ist dabei egal.
Bei den Menschen verhält es sich genauso. Sie ziehen dich in ihre Richtung und versuchen dich, in ein Schema zu pressen, das ihrem sozialen Stand entspricht. Das gilt für alle sozialen Schichten. Wenn man versucht, aus einer sozialen Schicht in eine andere zu wechseln, legen einem die Eltern, Verwandte und Freunde so viele Steine in den Weg, bis man vor einer fest gemauerten Wand steht. Sie wollen dir vielleicht nicht mal etwas Böses, sondern dich nur vor dem für sie Unbekannten beschützen. Denn die bekannten Wege sind die guten Wege. So denken sie. Auch wenn sie für dich nicht die richtigen sind. Oft wird diese Mauer auch aus Neid errichtet, weil du Fähigkeiten hast, die sie gerne hätten. Sie sprechen dir dann deine Fähigkeiten ab. In dir jedoch wirst du immer das Gefühl haben, dass die Menschen um dich herum im Unrecht sind. Du solltest immer daran denken, dass gerade Normalsensible starke Herdentiere sind und immer versuchen, sich den anderen anzupassen und nicht aufzufallen. Auch sie sind Opfer der Manipulation, können diese jedoch nicht so klar wahrnehmen. Du bist jedoch nicht wie sie, sondern passt besser zu den Hochsensiblen. Die Ironie dabei ist, dass viele Hochsensible nicht wissen, dass sie Hochsensibel sind und andere Bedürfnisse haben. Auch sie wurden auf Linie der Normalsensiblen getrimmt und tun dies womöglich nun auch mit dir. Vielleicht kannst du, wenn du mit deiner Entwicklung fertig bist und dein Urvertrauen erlangt hast, ihnen helfen, sich selbst zu finden.
Die Vergangenheit zu bewältigen, indem du Ereignisse verarbeitest, Menschen ihre Fehler vergibst (vergeben ist nicht vergessen!), nicht zu dir passende Regeln und Erwartungen loslässt, wird dich befreien und dir mehr Raum für dich verschaffen.
<Einführung Loslassen | Weltliches> |
Sie befinden sich mitten im Buch. Starten Sie mit dem Lesen bitte am Anfang.
Ich bitte Sie, das Vorwort und das Kapitel Selbstentwicklung zu lesen, bevor Sie fortfahren.