»Edel sei der Mensch, hilfreich und gut! Denn das allein unterscheidet ihn von allen Wesen, die wir kennen.« So schrieb Johann Wolfgang von Goethe einst in einem seiner Gedichte.
Viele Hochsensible fühlen mit, wie sich den Menschen und Tieren um uns herum fühlen. Wer hier des Öfteren erfährt, dass es ihnen schlecht geht, will vermutlich helfen. Denn wir verarbeiten die guten und die schlechten Befindlichkeiten anderer mit. Wenn jemand deprimiert oder traurig ist, Schmerzen empfindet, egal ob körperlich oder geistig, fühlen wir durch unsere Empathie mit ihnen. Wie wir unseren Schmerz und unsere Pein stillen wollen, so wollen wir dies instinktiv ebenso für andere. Nach dem Motto: Wenn es ihnen gut geht, dann geht es uns gut.
Da es uns oft schwerfällt, uns von anderen abzugrenzen, helfen wir ihnen, um uns so vermeintlich auch selbst helfen. Hier lauert eine Spirale, die ins Helfersyndrom führt. Wenn wir bisweilen Menschen erfolgreich helfen, kommen andere Menschen zu uns. Sie merken unterbewusst, dass wir helfen können. Vielleicht wurde es ihnen explizit mitgeteilt. Wir umgeben uns mit Menschen, denen es schlecht geht, weil wir uns gut fühlen, wenn wir ihnen helfen. Geht es ihnen dann besser, verlassen sie uns meist und neue Menschen treten an ihre Stelle. Denen wollen wir natürlich auch helfen.
Da wir selten automatisch gut auf uns achten, geben wir uns ganz den Hilfe suchenden hin bis hin zur Selbstaufgabe. Unser Lebenszweck wird dann nur noch die Hilfeleistung. Wir nehmen in Kauf, dass es uns selbst immer schlechter geht. Hauptsache allen anderen geht es gut. Wir verwechseln die Hilfsbereitschaft mit dem Helfersyndrom. Ein Syndrom liegt vor, wenn die Helferrolle in einem Selbstzwang eingenommen wird und keine freiwillige Handlung ist. Laut Modell liegt beim Helfenden ein geringes Selbstwertgefühl vor und die Hilfeleistung wird zur Sucht. Wir verteidigen diesen Zwang damit, dass wir aus Nächstenliebe handeln. Aufopferungsbereitschaft wird von uns als oberstes Gut gehandelt. Komischerweise verlangen wir meistens nicht von anderen, dass sie sich für uns in gleichem Maße aufopfern. Es fällt uns sogar immens schwer, von anderen Hilfe anzunehmen.
Es gilt, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Den Anspruch an uns selbst, um jeden Preis zu helfen, müssen wir loslassen. Aber wir geben damit auch das tolle Gefühl auf, das wir erhalten, wenn wir erfolgreich geholfen haben! Nein, tun wir nicht, wir verringern nur die Dosis.
Das bedeutet nicht, dass wir nun zum Egoisten mutieren, der nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist. Es bedeutet nur, dass wir besser auf uns achtgeben. Achtsamkeit unseren Bedürfnissen gegenüber ist wichtig. Wenn wir gesund und unsere Grundbedürfnisse befriedigt sind, wir genügend Schlaf und Ruhe bekommen, können wir viel besser helfen. Wenn wir uns dann bei Dingen helfen lassen, bei denen wir Hilfe benötigen, sparen wir uns nochmal Unmengen Energie, die wir dafür ausgeben würden, diese Dinge allein zu bewältigen. Wir müssen lernen, die helfende Hand zuzulassen, so wie unsere Hilfe von anderen zugelassen wird.
Wenn du durch deine selbstlose, aufopfernde Hilfe krank wirst und in ein Burnout oder andere schwere Krankheiten rutscht, kannst du niemandem mehr helfen. Nur weil du weniger hilfst, bist du nicht weniger Wert. Im Gegenteil: Wenn die Batterien aufgeladen sind, kannst du gezielter und effektiver helfen!
Das Leben besteht in all seinen Facetten immer aus Geben UND Nehmen. Egal welche Seite du übertreibst, wird es dir nicht gut bekommen. In der Mitte liegt wie fast immer der einzig gesunde, vernünftige Weg. Hilf dir selbst und du kannst anderen besser helfen.
Lass dich nicht von Zwängen leiten. Entspanne dich und lass sie los. Kommst du selbst aus dem Zwang nicht heraus, hilft wie immer ein Psychotherapeut.
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Ich bitte Sie, das Vorwort und das Kapitel Selbstentwicklung zu lesen, bevor Sie fortfahren.