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Inhaltsverzeichnis

Mit Achtsamkeit zum Urvertrauen

Hochsensibilität im Alltag

Markus Walz

Mit Achtsamkeit zum Urvertrauen

Hochsensibilität im Alltag

Markus Walz

Inhaltsverzeichnis

Das Buch zur Hochsensibilität in neuem Gewand und erweitertem Inhalt. Einige Texte entsprechen den Inhalten dieser Webseite, viele Tesxte habe ich überarbeitet und neu verfasst.

NEU! Mein Kind ist hochsensibel! Was bedeutet das für mich und wie kann ich es optimal unterstützen??

Wenn du meine Arbeit unterstützen möchtest, kannst du das Taschenbuch oder E-Book (Kindle) erwerben.

Wo sind überall Grenzen?

Gerade Hoch­sen­si­ble haben Schwie­rig­kei­ten, bei sich selbst zu blei­ben und die eige­nen Gren­zen zu erken­nen. Selbst wenn sie ihre Gren­zen ken­nen, hal­ten sie sie oft nicht ein. Eine Tau­mel­be­we­gung zwi­schen tota­lem Rück­zug in sich selbst und unge­schütz­tem Bewe­gen in Ter­ri­to­rien ande­rer ist keine Sel­ten­heit. Bei der Abgren­zung geht es um das Bewusst­sein bezüg­lich der eige­nen Gren­zen und der ande­rer Men­schen. Jeder Mensch besitzt ein Ter­ri­to­rium, das allein ihm zusteht. Das umfasst min­des­tens sei­nen Kör­per, sei­nen Geist, seine Emo­tio­nen und seine Ener­gie. Wäh­rend Geist, Emo­tio­nen und Ener­gie gren­zen­los sind, ist der Kör­per begrenzt. Er ist der Anker im Hier-und-Jetzt. Um ihn herum ver­ste­hen wir einen Radius von min­des­tens einer Arm­länge als unse­ren Intim­be­reich. Hier dür­fen im Nor­mal­fall nur wenige, aus­ge­suchte Men­schen eindringen.

Wie ver­stehst du das Wort Abgrenzung?

Denkst du dabei an eine Mauer oder einen hohen Zaun, zum Aus­sper­ren von Men­schen, die dich ver­let­zen könn­ten? Oder denkst du eher an einen Schild, den du vor dir her­trägst oder eine Rit­ter­rüs­tung, die dich schützt? Wenn du nur so denkst, dann wapp­nest du dich ledig­lich davor, deine Gren­zen nach außen zu ver­tei­di­gen. Doch denkst du auch daran, die Gren­zen ande­rer zu respek­tie­ren? Oder über­schrei­test du sie gerne mal, um von ihnen zu bekom­men, wonach dich gelüs­tet oder ihnen zu hel­fen oder ihnen Gutes zu tun? Über­schrei­test du auch die Gren­zen, die du dir selbst setzt und schaust zu lange fern oder ver­gisst beim Lesen die Zeit? Setzt du dir über­haupt selbst Gren­zen? Wo genau lie­gen deine Gren­zen in den ein­zel­nen Berei­chen? Kannst du sie prä­zise defi­nie­ren? Weißt du immer schon vor­her, wenn du dich dei­nen Gren­zen näherst? Weißt du vor­her, wenn andere deine Gren­zen über­schrei­ten wer­den? Weißt du vor­her, wo die Gren­zen ande­rer ver­lau­fen? Oder weißt du erst dann, wo eine Grenze ver­läuft, wenn sie über­schrit­ten wurde? Du folgst da eher dei­nem Instinkt? Dann weißt du es also nicht genau?

Das ist meist das Pro­blem. Das Thema Abgren­zung wird unter­schätzt, falsch inter­pre­tiert oder ganz igno­riert. Irgend­wie wursch­telt man sich schon durch. Ist doch eine ganz natür­li­che Sache! Brauch ich nicht lernen!

Weit gefehlt!

Wenn du nicht genau weißt, wo deine Gren­zen auf allen Ebe­nen ver­lau­fen, dann kommt es häu­fi­ger zu Grenz­ver­let­zun­gen. Denn du kannst ja nicht kom­mu­ni­zie­ren, dass hier jetzt gerade eine dei­ner Gren­zen liegt.

Jetzt fragst du dich viel­leicht, wo eigent­lich über­all Gren­zen lie­gen kön­nen. Es gibt vier Berei­che, sowohl im Inne­ren als auch im Äuße­ren, in denen du deine Gren­zen ken­nen solltest:

  • • Innere Gren­zen (dir selbst gegenüber)
  • • Äußere Gren­zen (ande­ren gegenüber)

Jeweils:

  • • Kör­per­li­che Grenzen
  • • Psy­chi­sche Grenzen
  • • Emo­tio­nale Grenzen
  • • Ener­ge­ti­sche Grenzen

So viele? Das ist doch viel zu viel, um es zu lernen!

Nein, ist es nicht. Viele Gren­zen wirst du schon gesteckt oder zumin­dest erkannt haben. Zum Bei­spiel beim Ver­zehr bestimm­ter Lebens­mit­tel, wie lange du spa­zie­ren gehen kannst, wann dir zu warm oder zu kalt ist. Das sind die ein­fa­chen Gren­zen. Dein Kör­per zeigt sie dir genau.

Wo fängt man am bes­ten an, um die rest­li­chen Gren­zen zu erschließen?

Man beginnt zunächst mit den ein­fa­chen Din­gen. Finde deine Mitte und ver­binde Geist und Kör­per, um dich im Hier-und-Jetzt zu ver­an­kern und zu erden. Erdung ist ein wich­ti­ges Lernziel.

Aus dei­nem inne­ren Zen­trum her­aus kannst du dann lang­sam deine Gren­zen aus­lo­ten. Keine Angst, du musst dazu nicht unbe­dingt Bun­gee Jum­ping machen, Fall­schirm­sprin­gen oder Steil­wände erklim­men, wenn dir das nicht liegt.

Wie man sein Zen­trum fin­den kann:

Eine Mög­lich­keit, dein Zen­trum zu fin­den, möchte ich dir im Fol­gen­den vorstellen.

Für eine gute Erdungs­übung soll­test du zuerst ein­mal die Bedürf­nisse dei­nes Neu­ge­bo­re­nen-Ichs befrie­di­gen. Hun­ger und Durst soll­ten gestillt sein, du soll­test aus­ge­ruht sein und kei­nen kör­per­li­chen Drang ver­spü­ren. Weder Harn­drang noch Bewe­gungs­drang oder Ähnliches.

Dann kannst du die im Kapi­tel beschrie­bene »Ste­hen­der Baum-Medi­ta­tion« durch­füh­ren. Sie dau­ert nicht lange.

Egal, ob du an Ener­gie­ar­beit glaubst oder nicht, nach der Übung fühlst du dich allein durch die Kon­zen­tra­tion auf dich und dei­nen Kör­per erfrischt und ent­spannt. Als Neben­ef­fekt hast du nun den Platz in dir gefun­den, der dein Zen­trum dar­stellt. Des Wei­te­ren wirst du fest­stel­len, dass du mehr im Hier-und-Jetzt ver­an­kert bist. Du eilst mit den Gedan­ken nicht mehr weit vor­aus oder hängst auch nicht alten Erin­ne­run­gen nach. Deine Kon­zen­tra­ti­ons­fä­hig­keit sollte sich schlag­ar­tig ver­bes­sert haben. Wenn du den Teil mit der Ent­span­nung der Mus­ku­la­tur über­springst, kannst du mit der Tech­nik der Ener­gie­auf­nahme inner­halb von Minu­ten neue Kraft schöp­fen. Aller­dings wird hier­bei die Erdung nicht so stark erfol­gen, die sich durch die auf dei­nen Kör­per gerich­tete Acht­sam­keit erst rich­tig ein­stellt. Anstatt dich auf dei­nen Kör­per zu kon­zen­trie­ren, kannst du ein­fach bewusst tief ein- und aus­at­men, wäh­rend du die Kör­per­hal­tung des Ste­hen Baums ein­nimmst. Die Atem­medi­ta­tion ver­an­kert dich genauso im Körper.

Eine wich­tige Erkennt­nis ist die Annahme dei­ner Begrenzt­heit. Geist, Emo­tio­nen und Ener­gie sind prak­tisch unbe­grenzt. Nichts ist im Uni­ver­sum so reich­hal­tig vor­han­den wie Ener­gie. Sie ist schier end­los und kann nicht ver­braucht, son­dern nur trans­for­miert wer­den. Gedan­ken sind gren­zen­los, da sie sowohl im Raum als auch in der Zeit über­all­hin rei­sen kön­nen. Und deine Emo­tio­nen wer­den nicht ver­sie­gen, solange dein Kör­per exis­tiert. Die Seele kennt sowieso keine Gren­zen. Nur dein Kör­per wird müde, braucht Nah­rung, muss bewegt und gepflegt wer­den. Er kann krank oder beschä­digt wer­den. Und er befin­det sich immer in der Gegen­wart an einem ein­zi­gen Ort. Er hat klar umris­sene Gren­zen, die er dir deut­lich mitteilt.

Jede aus­ge­lebte Gren­zen­lo­sig­keit in der einen Ebe­nen führt dich an die Gren­zen der ande­ren Ebe­nen oder noch schlim­mer: dar­über hin­aus. Wenn du dich in Gedan­ken­pa­läs­ten her­um­treibst oder durch den Kon­takt mit ande­ren Men­schen oder den Kon­sum von Büchern oder Bewegt­bil­dern in dei­ner Emo­tio­na­li­tät schwelgst, wirst du zwangs­läu­fig dei­nen Kör­per ver­nach­läs­si­gen. Wenn du nur kör­per­li­chen Betä­ti­gun­gen nach­gehst, viel Sport treibst, dich kör­per­lich ver­aus­gabst, wirst du geis­tig abbauen, da dein Geist keine neue Nah­rung bekommt. Soll­test du nur dei­nen Gedan­ken nach­hän­gen oder dei­nen Geist beschäf­ti­gen, ver­nach­läs­sigst du dei­nen Kör­per und viel­leicht auch deine Emotionen.

Die Höhen­flüge auf der einen Seite, äußern sich durch Man­gel­er­schei­nun­gen auf der ande­ren Seite. Deine drei Ichs wer­den ihre Bedürf­nisse jeweils vehe­ment ein­kla­gen. Es wird dich jede Menge Ener­gie kos­ten, wenn du sie igno­rierst. Irgend­wann gelingt dir das Igno­rie­ren nicht mehr und du stellst fest, dass dir alles zu viel gewor­den ist. Dann ziehst du dich womög­lich für Stun­den oder Tage in dein kusche­li­ges Wohn- oder Schlaf­zim­mer zurück, um wie­der ins Gleich­ge­wicht zu gelan­gen. Hier bist du so tief inner­halb dei­ner Gren­zen, dass du unter­for­dert wirst. Bald brauchst du wie­der die Sti­mu­la­tion, um einen Sinn im Leben zu sehen. Diese Pen­del­be­we­gung kannst du unter­bre­chen, indem du dir selbst deine Begrenzt­heit vor Augen führst, dir bewusst Gren­zen setzt und dich auch an diese hältst.

Die inne­ren und äuße­ren Gren­zen ver­lau­fen immer flie­ßend. Solange du nur allein bist und frei ent­schei­den kannst, wann du eine Grenze für dich erreicht hast, ist es noch rela­tiv ein­fach sie zu ach­ten. Sobald du jedoch mit ande­ren Men­schen zusam­men bist, musst du die Grenze kom­mu­ni­zie­ren und even­tu­ell sogar verteidigen.

Ein Bei­spiel: Du sitzt gemüt­lich alleine abends vorm Fern­se­her und merkst, dass du müde wirst. Deine Ener­gie für den Tag ist auf­ge­braucht. Hin und wie­der gähnst du schon. Du ent­schei­dest, dass die Sen­dung zwar inter­es­sant und es gerade so gemüt­lich auf dei­nem Sofa ist, doch du machst doch lie­ber Schluss und gehst zu Bett. Die Grenze ist erkannt und eingehalten.

Die glei­che Situa­tion mit ande­ren Men­schen um dich herum ver­läuft ganz anders: Du sitzt bei Freun­den und ihr schaut zusam­men eine Sen­dung im Fern­se­hen. Die Sen­dung wird noch etwa eine Stunde dau­ern. Du bemerkst, dass deine Ener­gie für den Tag sich dem Ende zuneigt und du ins Bett möch­test. Dein Heim­weg dau­ert noch zwan­zig Minu­ten. In einer hal­ben Stunde könn­test du bereits im Bett lie­gen. Die Stim­mung ist gerade schön. Du weißt, dass du Unruhe in die Runde brin­gen wirst, wenn du jetzt auf­brichst. Doch wenn du die Stunde noch bleibst, wirst du erst in neun­zig Minu­ten im Bett lie­gen. Eher noch spä­ter, weil ihr nach­her über die Sen­dung reden wer­det. Du weißt genau, dass sich das am nächs­ten Mor­gen bemerk­bar machen wird. Der nächste Tag wird sich schwie­ri­ger gestal­ten. Du über­legst durch­zu­hal­ten. Doch eigent­lich ist das nicht sinn­voll, da du ja auch fit genug für die Heim­fahrt sein musst. Jetzt ist der Punkt gekom­men, deine Grenze im Inne­ren zu zie­hen und sie nach außen zu wah­ren. Du kün­digst an, dass du jetzt los­fah­ren wirst, weil du sehr müde bist. Einige dei­ner Freunde beti­teln dich als Spaß­bremse oder schlim­me­res. Nun bist du gezwun­gen, deine Grenze nach außen zu ver­tei­di­gen. Du erklärst, dass du gerne noch blei­ben wür­dest, der Tag jedoch anstren­gend war und du wirk­lich ins Bett musst, um den mor­gi­gen Tag gut über­ste­hen zu kön­nen. Du kannst noch hin­zu­fü­gen, dass es nichts mit den Freun­den oder der Sen­dung zu tun hat. Wenn dir wei­tere Über­re­dungs­ver­su­che ent­ge­gen­schla­gen, musst du stand­haft blei­ben, sonst neh­men deine Freunde den Raum ein, den du ihnen frei­wil­lig über­las­sen hast. Beim nächs­ten Mal wer­den sie wie­der ver­su­chen, deine Grenze auf­zu­wei­chen und dich zum Blei­ben zu über­re­den. Da es ein­mal geklappt hat, wer­den sie ihre Anstren­gun­gen ver­dop­peln. Hast du durch­ge­hal­ten, ver­ab­schie­dest du dich und gehst.

Im End­ef­fekt wirst du nicht als Spiel­ver­der­ber hin­ge­stellt. Im Gegen­teil: Die Freunde, die auch gehen woll­ten, sich aber nicht getraut haben, ihre Gren­zen zu ver­tei­di­gen, wer­den sich anschlie­ßen und dir dank­bar sein. Der Rest akzep­tiert dein Bedürf­nis und wird dir viel­leicht vom Aus­gang der Sen­dung berich­ten. Beim nächs­ten Mal kannst du sie sogar dar­auf vor­be­rei­ten, dass du even­tu­ell nicht den gan­zen Abend durch­hal­ten wirst. Da sie froh sind, dass du über­haupt an den gemein­schaft­li­chen Tref­fen teil­nimmst, wer­den sie das akzeptieren.

Den inne­ren Schwei­ne­hund besie­gen und sich Gren­zen set­zen, ist schon schwer genug. Diese dann aber auch noch gegen­über ande­ren zu ver­tei­di­gen ist die eigent­li­che Kunst.

In die­sem Bei­spiel haben wir auch gleich gese­hen, wo die meis­ten Gren­zen lie­gen: dort, wo es dir gerade noch gut mit der Situa­tion geht und du keine Nach­teile ver­spürst. Sobald du dich nicht mehr gut fühlst, hast du eine Grenze überschritten.

Warum soll­ten wir nicht immer ein wenig Abstand zu unse­ren Gren­zen hal­ten, so dass wir erst gar nicht an sie heran gelangen?

Den Über­tritt der Gren­zen nach außen und die Kon­se­quen­zen sind wohl jedem klar. Der stän­dige Auf­ent­halt im inne­ren Bereich dei­ner Gren­zen (der Kom­fort­zone) ver­hin­dert, dass du dich wei­ter­ent­wi­ckeln kannst. Dies ist jedoch ein Grund­be­dürf­nis aller Men­schen und ins­be­son­dere von Hoch­sen­si­blen. Du wirst per­ma­nent unter­for­dert und lang­weilst dich. Weil du dem Bedürf­nis zur Ent­wick­lung nicht nach­kommst, baust du zusätz­li­chen inne­ren Druck auf. Das erzeugt Stress. Bezo­gen auf die Mus­ku­la­tur gibt es hierzu ein gut nach­voll­zieh­ba­res Bei­spiel. Wenn du zu viel Sport treibst und trai­nierst, dann bekommst du Mus­kel­ka­ter oder ver­letzt dich sogar (z. B. Mus­kel­fa­ser­riss). Fährst du jedoch das Trai­ning bis auf ein Mini­mum her­un­ter, weil du dir dei­ner Gren­zen nicht sicher bist, dann ver­küm­mern deine Mus­keln und du wirst schwach. Dann machst du dir des­we­gen Selbst­vor­würfe und schränkst dich ein, weil du nicht mehr so fit bist. Des­we­gen ist es wich­tig, deine Gren­zen aus­zu­lo­ten. Bis wohin kannst du trai­nie­ren, ohne Mus­kel­ka­ter zu bekom­men? Das dient aber nur dem Erhalt. Was pas­siert, wenn du heute mal ein klei­nes Quänt­chen wei­ter gehst? Dann wach­sen deine Mus­keln wie­der ein klein wenig und du kannst dich wei­ter­ent­wi­ckeln. Am nächs­ten Tag legst du noch eine Klei­nig­keit drauf und stellst fest, dass du deine Grenze bereits aus­ge­dehnt hast. So kommst du lang­sam an den Punkt dei­ner vol­len Ent­fal­tung. An die­sem Punkt fällt es dir auch nicht mehr schwer, die erreichte Mus­kel­masse auf­recht­zu­er­hal­ten. Jetzt erst bist du an dei­ner natür­li­chen Grenze ange­langt. Alles dar­über hin­aus­ge­hende wäre eine Überforderung.

Zusam­men­ge­fasst bedeu­tet dies: Halte dich nicht zu weit außer­halb dei­ner Gren­zen auf, um dich nicht zu über­for­dern. Ziehe dich nicht zu lange in das Zen­trum dei­nes Reviers zurück, sonst unter­for­derst du dich.

Jede Grenze liegt dort, wo es dir am bes­ten geht. Wenn das posi­tive Gefühl für die Sache oder die Ein­stel­lung beginnt zu ver­sie­gen, ist die Grenze bereits überschritten.

Innere Gren­zen finden

Wenn du dich geer­det und in dein Zen­trum zurück­ge­zo­gen hast, dann wage dich so schnell, wie mög­lich wie­der dar­aus her­vor und suche dir einen Umstand aus, der dich schon lange nervt. Zum Bei­spiel, dass du nicht mehr auf­hö­ren kannst zu naschen, wenn du ein­mal ange­fan­gen hast. Oder, dass du nicht mehr auf­hö­ren kannst, TV zu schauen, wenn du das Gerät erst mal ein­ge­schal­tet hast. Auch Tag­träu­men nach­hän­gen, die dich von ande­ren Din­gen abhal­ten und viel zu lange in sozia­len Netz­wer­ken stö­bern oder Com­pu­ter­spiele spie­len gehö­ren dazu. Such dir einen Umstand aus, bei dem du keine Gren­zen zu ande­ren Men­schen berührst, son­dern nur deine inne­ren. Dann führst du die Tätig­keit aus und bleibst acht­sam. Es gibt einen Punkt, an dem der Ener­gie­ge­winn, den du durch diese Tätig­keit erreichst, umschlägt in einen Ener­gie­ver­lust. Wenn du zu viel Scho­ko­lade geges­sen hast, wird dir schlecht. Wenn du zu lange TV schaust, tun dir die Augen weh. Wenn du zu lange Com­pu­ter spielst, wirst du ner­vös. Nun gehe in dei­ner Acht­sam­keits­er­in­ne­rung einen Schritt zurück. An dem Punkt, wo es dir mit dei­ner Tätig­keit noch sehr gut ging, aber du bereits gemerkt hast, dass das nicht mehr lange so blei­ben wird, liegt deine Grenze. Bei mir ist das bei Scho­ko­lade so etwa bei 75 Gramm. Oder beim TV schauen bei 50 Minu­ten, beim Inter­net sur­fen bei etwa 30 Minu­ten und beim Tag­träu­men bei etwa einer Stunde. Natür­lich geh ich auch immer mal wie­der über meine Gren­zen, doch dann ist mir bewusst, dass ich es tue. Weißt du vor­her, dass du deine Gren­zen über­schrei­ten wirst, kannst du ja zum Bei­spiel einem 180-Minu­ten-Kino­film einen Spa­zier­gang ein­pla­nen. Oder du räumst die Woh­nung auf und rege­ne­rierst dich durch Bewegung.

Je acht­sa­mer du mit dir selbst umgehst und bewusst bei dir bleibst, desto schnel­ler fin­dest du deine Grenzen.

Ein sehr gutes Bei­spiel ist das Essen. Wenn du eine Mahl­zeit zu dir nimmst, dann lasse dich nicht ablen­ken durch TV, Radio, die Tages­zei­tung, ein Buch oder dein Smart­phone. Sei ganz bei dei­nem Essen und genieße es. Sobald du acht­sam isst, wirst du fest­stel­len, dass du mehr schmeckst, lang­sa­mer isst, mehr kaust und ent­spann­ter bist. Außer­dem wirst du ins­ge­samt weni­ger essen und län­ger satt blei­ben. Psy­cho­lo­gi­sche Stu­dien haben gezeigt, dass die Menge an Nah­rung, die unbe­wusst – also unter Ablen­kung – ver­speist wird, nicht kor­rekt vom Gehirn wahr­ge­nom­men wird. Du isst mehr und das Gehirn sagt nach kür­ze­rer Zeit, dass es wie­der Zeit für Nah­rung sein müsste. Hörst du auf dei­nen Appe­tit, statt auf den hung­ri­gen Bauch, isst du dann bereits die nächste Mahl­zeit. Ver­hee­rend ist dies zum Bei­spiel bei Knab­be­reien vor dem Fern­se­her, beim Com­pu­ter­spie­len oder im Kino. Dort ist dein Gehirn von der Ablen­kung regel­recht gefes­selt und ach­tet nicht dar­auf, dass der Kör­per etwas zu sich nimmt. Plötz­lich ist die Ver­pa­ckung leer und du weißt nicht so recht, ob du das wirk­lich alles selbst ver­speist hast.

Wenn du eine Grenze gefun­den hast, kannst du ihre Ein­hal­tung trai­nie­ren, indem du dir Zeit­li­mits mit einem Wecker oder Timer stellst und auch wirk­lich auf das Klin­geln hörst und deine Tätig­keit ein­stellst. Für Men­gen­ein­hal­tun­gen soll­test du dir ein­fach eine Waage und eine Schale holen, die du immer dann benutzt, wenn es um Süßig­kei­ten, Mahl­zei­ten oder Obst und Gemüse geht. Oder eine bestimmte Glas­größe für kof­fein- oder zucker­hal­tige Getränke. Benutze am bes­ten immer das­selbe Behält­nis, denn es wird mit der Zeit für den Kör­per und deine Acht­sam­keit selbst zu einem Signal. »Das ist die Nasch­schüs­sel, jetzt sind Auf­merk­sam­keit und Acht­sam­keit gefordert.«

Schreib dir deine Gren­zen in ein klei­nes Notiz­buch, wenn du befürch­test, auf eine zu sto­ßen und sie dir nicht mer­ken zu können.

Äußere Gren­zen finden

Die Gren­zen nach außen hin, zu ande­ren Men­schen oder Tie­ren, fin­dest du ebenso mit Acht­sam­keit und zusätz­lich Empathie.

Wenn du etwas sagst oder tust, dass andere selt­sam reagie­ren lässt, hast du wahr­schein­lich deren Grenze bereits über­schrit­ten. Anders­herum fühlst du dich unwohl, wenn andere deine Gren­zen über­schrei­ten. Wie bemerke ich nun, wo meine Gren­zen lie­gen, bevor jemand sie durchbricht?

Es ist das­selbe, wie mit inne­ren Gren­zen. Achte dar­auf, wie lange es dir mit einer Situa­tion gut geht. Sobald du anfängst, dich unwohl zu füh­len, nähert sich jemand dei­nen Gren­zen. In sol­chen Fäl­len soll­test du dem­je­ni­gen ganz klar deut­lich machen, dass hier eine Grenze für dich erreicht ist. Das ist wich­tig, denn nicht jeder ver­steht deine Anspie­lun­gen oder kör­per­li­chen Reaktionen.

Ebenso hilft dir deine Empa­thie, zu spü­ren, wie wohl sich dein Gegen­über fühlt. Wird er unru­hig oder ver­än­dert sich sein Aus­druck? Begibt er sich in eine Abwehr­hal­tung oder zieht er sich zurück?

Hier soll­test du Abstand wah­ren, auch wenn der­je­nige nichts geäu­ßert hat. Das gilt sowohl im kör­per­li­chen als auch im kom­mu­ni­ka­ti­ven und geis­ti­gen Sinn.

Bei­spiel:

Du unter­hältst dich mit einem Kol­le­gen, den du nicht so oft triffst. Er mag dich sehr gerne, und da ihr zusam­men lacht, kommt er immer näher an dich heran. Dir wird mul­mig, denn du magst es nur, wenn Men­schen, die du gut kennst, in dei­nen Tanz­be­reich kom­men. Als er nur noch einen hal­ben Schritt ent­fernt ist, weichst du zurück. Dabei kannst du schon sagen: »Du, sei mir nicht böse, aber ich brau­che immer ein wenig Abstand.« Der Kol­lege wird das Bedürf­nis respek­tie­ren. Wenn nicht, werde deut­li­cher und mache ihm klar, dass du gehen wirst, wenn er deine Grenze nicht respektiert.

Nach­dem ihr euer Gespräch zu Ende geführt habt, kommt eine Kol­le­gin zu dir, die du eben­falls nur alle paar Wochen siehst. Dein letz­ter Wis­sens­stand war, dass ihr Hund ope­riert wer­den musste. Nach­dem ihr eure beruf­li­che Ange­le­gen­heit geklärt habt, unter­hal­tet ihr euch und du fragst nach dem Gesund­heits­zu­stand ihres Haus­tiers. Als sie spon­tan das Thema wech­selt, kannst du dir den­ken, dass sie dar­über nicht spre­chen will. Du respek­tierst ihre Grenze und wech­selst mit zum neuen Gesprächsabschnitt.

In bei­den Fäl­len füh­len sich alle Par­teien wohl. Der Kol­lege ist froh, weil er nun weiß, dass du Nähe nicht schätzt und dein Zurück­wei­chen nichts mit ihm per­sön­lich zu tun hat. Deine Kol­le­gin ist dir dank­bar, weil du sie nicht mit einem unan­ge­neh­men Thema gelö­chert hast. Du fühlst dich wohl, weil im ers­ten Fall deine Grenze respek­tiert wurde und du im zwei­ten kein Fett­näpf­chen erwischt hast, son­dern gerade noch so daran vor­bei­ge­schlit­tert bist.

<Ein­füh­rung Abgrenzung Innere phy­si­sche Grenzen>

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Ich bitte Sie, das Vor­wort und das Kapi­tel Selbst­ent­wick­lung zu lesen, bevor Sie fortfahren.

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