Ich habe im Laufe meines Lebens viele Menschen sehr intensiv kennengelernt, da es meine Art ist, gut zuzuhören und auf Menschen einzugehen. Wie oft im Leben hat sich hier eine weitere Dualität ergeben, deren beiden Pole sich wie Yin und Yang gegenseitig beeinflussen.
Viele Menschen pendeln zwischen ihrem Herzen (Liebe, Gefühle, Neugeborenen-Ich) und ihrem Kopf (Ego, Ängste, Erwachsenen-Ich) hin und her. Emotionalität und Rationalität kämpfen um die Vorherrschaft in uns.
Früher war ich selbst ein sehr rationaler Mensch. Ich glaubte das, was die Wissenschaft erklären konnte, und zweifelte an dem, was unerklärt blieb. Davor wurde ich streng katholisch erzogen. Diese dogmatische Prägung konnte ich jedoch nach und nach ablegen. Als ich aus der Pubertät heraus und in meine erste Wohnung eingezogen war, war nicht mehr viel übrig von meinem Gefühl. Ich unterdrückte es, wo ich konnte, und gewährte dem Kopf die Alleinherrschaft in meinem Leben. Dies entwickelte sich zu einem großen Problem. Zum einen traf ich fortwährend schlechte Entscheidungen, da ich entweder zu vorschnell entschied, wenn ich etwas begehrte, und zu lange zögerte, wenn ich mir unsicher war. Dinge, die ich dringend benötigte, schob ich weit von mir weg, und Dinge, die ich begehrte, die aber im Grunde unnütz für mich waren, zog ich um jeden Preis heran. Das endete in einem katastrophalen Fiasko, aus dem ich zum Glück gestärkt und geläutert herauskam. Es kostete mich sieben Jahre, diese Schleife zu durchlaufen. Heute möchte ich die Erfahrung nicht mehr missen, denn sie gehört zu mir und hat mich geformt.
Das zweite Problem, mit dem ich mich herumzuschlagen hatte, waren meine Seele und mein Herz, die innerlich verkümmerten. Das erzeugte eine Depression, die mich in dieser Zeit stets begleitete.
Zum Dritten gab es ständig Zusammenhänge und Ereignisketten, die ich wahrnahm und die sich wissenschaftlich nicht erklären ließen. Diese verdrängte ich, da sie eben nicht rational waren.
Der Kopf hat gegenüber dem Gefühl den Nachteil, dass er sich vortrefflich dazu eignet, Zweifel und Ängste zu entwickeln. Das Herz weiß einfach, was es will. Der Kopf beherbergt eine Ansammlung von erlernten Fakten, die man hin und her bewegt, bedenkt und bewertet. Dabei entsteht meist ein Wollknäuel, das bei längeren Entscheidungszyklen gigantische Ausmaße annehmen kann.
Das Gehirn erzeugt Zweifel, Bedenken und Ängste, außer es wird von Lust, Leidenschaft und Begehren gesteuert. »Ich will aber dies und jenes!« »Das muss aber so oder so sein und passieren!« Das sind typische Kopfsprüche.
Im Grunde genommen steht der Kopf genau unseren wahren Bedürfnissen gegenüber. Denn Gier und Zweifel, das Haben-Wollen und das Schlimme-Dinge-Passieren-Wenn lassen unsere einfachsten Bedürfnisse unbefriedigt. In der Psychologie ist bekannt das 90 % aller Ängste und Sorgen, die der durchschnittliche Mensch in seinem Leben hat, nicht in Erfüllung gehen. Den Ängsten und Sorgen nachzuhängen, ist also wenig zielführend. Es hält dich nur davon ab, das zu tun, was dir entspricht.
Schießt sich der Kopf auf etwas ein, kommt es darauf an, wie er ausgelegt ist. Ist er ein Stur- oder Dickkopf sucht er sich eine Richtung aus und geht sie entlang, egal was da kommt. Dabei nimmt er keine Rücksicht auf seine eigentlichen Bedürfnisse oder die Bedürfnisse anderer. Er ignoriert alle Hindernisse. Wenn es Mauern gibt, rennt er so lange dagegen, bis er sie durchbricht oder selbst an ihnen zerbricht. Er ist beinahe zwanghaft in seinem Handeln, sehr vorhersehbar für Menschen mit Erfahrung und Menschenkenntnis.
Der ängstliche Kopf zerdenkt erst alles und findet viele Argumente, nichts zu tun. Dabei übersieht er ebenfalls seine wirklichen Bedürfnisse und reduziert sich bis auf seinen innersten Kern, wo er sich in einen selbst gebauten Käfig einsperrt, um auch noch die letzten Gefahren auszusperren. Er darbt vor sich hin und versagt sich selbst alles, was ihn auch nur im Geringsten in Gefahr bringen könnte. Aus Erfahrung weiß ich, dass dies beinahe alles auf dieser Welt sein kann, angefangen bei Nahrung, Verkehr, Wetter, bis hin zu Verbrechern, die einen unangekündigt niederstrecken könnten.
Dagegen hat der Mensch, der nur nach seinem Gefühl lebt, ohne dieses ein wenig zu steuern, ganz andere Probleme. Das Herz kennt nichts Schlechtes, es ist das reine Gute. Wer nur seinem Herzen folgt, der wird oft ausgenutzt, ist zu gut für diese Welt und täuscht sich entweder oft in Menschen oder ist sehr naiv im Umgang mit ihnen. Die Verletzungen, die solche Menschen von sich tragen, sind tief, so dass sie sich oft in sich zurückziehen so weit in ihren Mittelpunkt, dass sie sich ganz von der Menschheit abschotten und sich nur noch mit Gleichgesinnten umgeben. Das Herz weiß zwar, was es will, doch es verfügt nicht über ausreichend Schutzmechanismen. Hinzu kommt, dass es sich oft in Schönes verliebt. Es schwelgt dann überschwänglich in dem, was es gerade stark liebt, und sieht die Gefahren links und rechts vom Weg nicht mehr. Es wird schneller Opfer seiner Umwelt als der zweifelnde Kopf, der überall Gefahren sieht.
Nun denkst du sicherlich, die Lösung liegt in der goldenen Mitte, wie immer, zwischen Kopf und Herz. Da gibt es dann noch die dritte Variante von Menschen, die sowohl mit dem Kopf und dem Herz leben, jedoch beide nicht in Einklang bringen. Wie äußert sich das? Ganz einfach. Sie wirken zerrissen, heute so morgen anders.
Springt der Kopf zuerst an, dann denkt er in ewigen Schleifen und wird als Dickkopf alles Ungute außer Acht lassen, als ängstlicher Kopf alles schlecht denken. In jedem Fall wird das Herz so lange unterdrückt, bis es nicht mehr geht, um dann umzuschwenken und alles noch einmal mit dem Herzen zu erfühlen und sich von den Gedanken zu lösen.
Wenn das Herz zuerst übernimmt, stürmt es begeistert los und beginnt etwas Neues mit vollem Energieeinsatz. Es überhört die Bedenken des Kopfes, der es ermahnt, mit Ruhe und Ausdauer an die Sache heranzugehen. Doch im Laufe der Zeit werden der Kopf und die Gedanken größer und stärker. Der Mensch denkt oft über das, was er tut nach, und hegt immer mehr Bedenken. Wenn jene so gewachsen sind, dass genügend Zweifel und Ängste vorhanden sind, bricht der Mensch sein Tun abrupt ab.
In beiden Fällen fühlen sich die Betroffenen von ihrer Umgebung unverstanden. Auf Grund der häufigen Sinneswandel ist dies nicht erstaunlich. Die Leute um sie herum haben ja den Prozess des Zerdenkens oder des Nachfühlens nicht mitbekommen und sind erstaunt über das unstete Verhalten.
Zwischen diesen beiden Extremen liegen wie immer jede Menge Mischungen.
Wie komme ich aus diesem Dilemma heraus?
Es ist eigentlich ganz einfach und benötigt lediglich ein wenig Zeit und Geduld. Wenn du dich hier wiedererkannt hast, dann ärgere dich nicht. Du bist, wie du bist, und hast immer die Möglichkeit, dich zu entwickeln.
Die Lösung besteht aus drei Schritten: Erkenntnis, Vorstellung und Umsetzung. Wichtig dabei ist, dass du immer achtsam vorgehst. Habe Geduld mit dir selbst und mit deinen Bedürfnissen. Liebe dich und nimm deine Schwächen an.
Die Erkenntnis ist dir vielleicht jetzt gekommen oder sie schwingt schon länger in dir mit. Wenn du festgestellt hast, welcher Typus oder welche Mischung in dir steckt, dann akzeptiere sie und kämpfe nicht plötzlich dagegen an. Liebe dich so, wie du bist. Jeder hat andere Probleme und Schwächen. Du darfst deine ganz Eigenen haben. Das ist dein gutes Recht. Wenn dir eine Eigenschaft nicht gefällt, dann schaue sie dir genau an. Schau dir an, wie sie funktioniert, in welchen Momenten sie auftritt und zum Tragen kommt und in welchen Momenten Höhepunkte und Wendepunkte auftreten. Der Höhepunkt ist der Moment, wenn dich dein Verhalten am meisten selbst nervt. Der Wendepunkt ist der Moment, in dem du Gegenmaßnahmen ergreifst. Wenn du die drei Punkte erfasst hast, sind sie dir für immer bewusst. Startpunkt, Höhepunkt, Wendepunkt. Nimm alles als dein momentanes Ich an. Sie sind Teil von dir.
Der zweite Schritt ist ganz einfach. Stell dir mit dem Kopf und dem Herzen vor, wie du gerne sein möchtest. Stell dir vor, wie du eigentlich in solchen Momenten handeln möchtest. Stell dir vor, was du fühlen wirst und was du denkst. Das wiederholst du am besten dreimal am Tag mindestens 21 Tage lang. Man sagt, dass jede Handlung innerhalb von 3 Wochen zur Gewohnheit wird.
Wenn du mehr deinem Herzen folgen möchtest, dann stell dir vor, wie du dich mit ihm an einen Tisch setzt und über seine Bedürfnisse sprichst. Es darf nur nicht die Oberhand gewinnen. Wenn du mehr deinem Kopf folgen möchtest, tust du dasselbe mit deinem Kopf. Besprich mit ihm, dass er dir seine Bedenken stärker mitteilt, ohne die Kontrolle zu übernehmen. Beide Teile sollen bitteschön auf Augenhöhe zusammenarbeiten.
Im Idealfall fragt dein Kopf dein Herz, welche Bedürfnisse du eigentlich hast. Es spielt das BRAUCHEN eine Rolle, das WOLLEN sollte im Hintergrund stehen. Dann stellt dein Kopf einfach nur fest, welche Hindernisse und Gefahren auftreten könnten. Nur die Wichtigsten. Alle kann er sowieso nicht bedenken. Oder du fängst andersherum an. Dein Herz möchte etwas und fragt beim Kopf die Hindernisse und Gefahren an. Beide setzen sich zusammen an einen Tisch und überlegen, was das Beste für dich ist, ohne sich zu streiten und ohne den jeweils anderen kontrollieren zu wollen. Sei achtsam und höre gut in dich hinein. Denke nicht zu lange darüber nach und wenn du merkst, dass die Bedenken überwiegen (Kopf) oder dass sie unterdrückt werden (Herz), halte inne und fang von vorne an. Denn in diesem Moment übernimmt ein Part die Kontrolle über den anderen.
Nun kommen wir zum dritten Punkt. Du besitzt nun die Erkenntnis, wann deine Schwächen zum Tragen kommen und wie sie verlaufen. Außerdem hast du eine Vorstellung davon, wie das Ganze eigentlich verlaufen sollte, damit du deinen Bedürfnissen gerecht wirst. Wenn dir die Entscheidung schwer fällt, schlafe einfach drüber und übergib deine Argumente dem Höheren-Ich. Es wird deine Gedanken und Gefühle ins Netz hochladen und eine entsprechende Antwort erhalten, die für dich richtig ist. Wenn du am nächsten Morgen achtsam in dich hinein horchst, solltest du ein Gefühl und Gedanken empfangen können. Je nachdem wie sie ausfallen, kannst du die Entscheidung treffen.
Das hört sich jetzt aufwändig und anstrengend an, nicht wahr? Ist es am Anfang auch. Du wirst Rückschläge erleben und dich über dich selbst ärgern und aufregen. Doch sobald dir die Mechanismen bewusst sind und du sie einsetzt, wird es besser als zuvor. Mit jedem Mal, mit dem du diese Technik einsetzt, wird es dir einfacher fallen. Die Erfolge werden dich sehr erfreuen. Bleib einfach dabei und lass dich nicht von Misserfolgen entmutigen. Niemand ist sofort ein Meister, jeder muss üben. Nach einiger Zeit wirst du Kopf und Herz so in Einklang gebracht haben, dass die Entscheidungen blitzschnell von Statten gehen und in deinem ureigenen Interesse sind und deine wirklichen Bedürfnisse decken. Du wirst viel glücklicher und zufriedener sein und das Leben wird für dich viel einfacher.
<Entscheidungshilfe | Wahrnehmung und Schlussfolgerung> |
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Ich bitte Sie, das Vorwort und das Kapitel Selbstentwicklung zu lesen, bevor Sie fortfahren.