In der Kindheit und Jugend streben wir Menschen nach immer neuen Eindrücken und sammeln sehr gerne die verschiedensten Dinge um uns, um ihre Funktionen zu erkunden und uns zu beschäftigen. Mit der Überflussgesellschaft in Deutschland wurde dies um ein Vielfaches verstärkt. Die Verfügbarkeit von massenhaft Spielzeug, Spielkonsolen, Computern und Spielen überfordert viele Kinder und Jugendliche, denn sie wissen gar nicht, mit was sie sich zuerst beschäftigen sollen. Früh schon lernen sie sich mit bestimmten Marken und Produktserien zu identifizieren und suchen immer mehr ihre Zufriedenheit in ihrem Besitz. Normalerweise nimmt der Drang des Ausprobieren Wollens mit fortschreitendem Alter ab. Doch heute gibt es so viele Eine zu entdecken, dass bei manchen Menschen die eigene Identifikation und das Selbstwertgefühl an den neuen Dingen hängen, die sie sich gönnen.
Die Werbung und die auf Konkurrenz ausgelegte Lebensweise, die wir heutzutage führen, will uns seit Jahrzehnten immer stärker weismachen, dass der Konsum – der Kauf von Dingen – uns jünger, glücklicher und erfolgreicher macht und vor allem befriedigt.
Wenn du das neuste Smartphone besitzt, bist du hipper und glücklicher, so das Werbeversprechen. Wenn du die Anti-Aging-Crème benutzt, bleibst du länger jung und begehrenswert. Wenn du den Sportwagen fährst, bist du erfolgreich. Dein Haus, dein Garten, deine Yacht, dein dickes Bankkonto machen dich zu einem besseren Menschen.
Wir glauben an die Werte, mit denen wir aufgewachsen sind und umgeben uns mit Dingen, die wir zu benötigen meinen. Der neue Mixer mit Kochfunktion und eingebauter Waage ist das Beste, was du für deine Küche je angeschafft hast! Kostet zwar Unsummen, ist es aber auch wert! Das Essen wird viel besser schmecken und du brauchst selbst gar nichts mehr tun! Das macht dich glücklich! Sagt uns die Werbung. Aber stimmt das alles auch wirklich?
Können wir unsere emotionalen und spirituellen Bedürfnisse mit dem Konsum von immer neuen materiellen Dingen befriedigen?
Der Kauf von Gegenständen, die dir die fehlende Liebe ersetzen sollen oder die ein in dir klaffendes Loch füllen sollen, – so genannte Frustkäufe – ist weit verbreitet. Hier beginnt eine Spirale, aus der man sich nur schwer wieder lösen kann. Du brauchst immer öfter Gegenstände, die dir kurzfristig den Kick verleihen, der stellvertretend für Glück steht. Um aus dieser Spirale zu entkommen, gibt es nur einen Ausweg, der dir jedoch einfach gelingen sollte: Genügsamkeit. Die Genügsamkeit ist unser Freund, denn wir fühlen uns mit weniger Dingen wohler, als mit vielen. Hochsensible führen oft unbewusst Bestandslisten aller Dinge, die sie besitzen. »Das Kabel für den Fernseher habe ich irgendwo im Keller und das hässliche Gemälde von Tante Trude zu meinem Geburtstag vor zehn Jahren steht rechts im Speicher.« Kennst du das? Das belastet dich unterbewusst.
Ich habe in meinem Leben festgestellt, dass die Dinge, die ich unbedingt haben wollte, meistens nicht so toll waren, wie mir Werbung, Warentests und andere Leute suggerieren wollten. Sie waren nicht so toll, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Oft standen sie nach kurzer Zeit nur herum und ich nahm sie nicht einmal mehr wahr. Sie passten nicht zu mir. Die Dinge, die ich jedoch zwingend benötige, um meine Bedürfnisse zu befriedigen oder das zu tun, was ich aus mir heraus tun möchte, erfreuen mich meistens viel länger. Als Beispiel das gebrauchte MacBook, das besser funktioniert als jeder Windows-Laptop oder ‑Rechner, den ich je hatte und das mit seiner Software genau meinen Anforderungen an meine schriftstellerische Arbeitsweise entspricht. Es hilft mir, mich mehr auf meine Berufung zu fokussieren und bietet weniger Ablenkungen, als alle meine Windows Rechner der letzten 24 Jahre.
Alle Gegenstände und Dinge, die man sich zulegt, belasten meistens mehr, als dass sie nützen. Wenn man für etwas Geld bezahlt hat, fühlt man sich auch dazu genötigt, es zu nutzen. Bezahlt ist schließlich bezahlt. Als Hochsensibler sollte man sich gut überlegen, was man wirklich braucht, denn uns ist der Rest ein größerer Ballast als Normalsensiblen. Wir können uns schwerer wieder trennen. Und wenn wir uns doch mal dazu zwingen, dann wollen wir es meistens nicht einfach verkaufen, sondern zusätzlich in guten Händen wissen.
Ein anderer Aspekt ist die Identifikation materiellen Gütern bzw. die emotionale Bindung an Gegenstände. Du bist der Automarken-Fahrer, der Technikmarken-Fan, der Klamottenmarken-Fan, der Eigenheimbesitzer, der Irgendwassammler. Aber in Wirklichkeit bist du nicht dein Auto, dein Haus oder Interieur und Geräte. Du bist eine Person, die all das nutzt. Doch würde es dich verändern, wenn du zu einer anderen Automarke greifen würdest oder einmal eine andere Technikfirma oder einen anderen Uhrenhersteller ausprobieren würdest? Ich denke nicht. Identifikation mit materiellen Gütern ist immer eine Sache des Ego. Dein Ego plustert sich gerne durch solche Bindungen auf und stellt dich höher, als die Benutzer oder Besitzer anderer Marken, die nicht so teuer sind, oder als nicht so zuverlässig gelten. Dein Eigenheim ist wertvoller, als das des anderen. Nicht zu reden von Mietern. Du erhöhst dich zumindest gedanklich damit selbst und erniedrigst andere oder grenzt sie aus. Das nennt man ein Statussymbol. Du setzt mit solchen Symbolen ein sichtbares Zeichen nach außen, um dich einer bestimmten Gruppe Mensch zuzuordnen. Es ist dieselbe Sache, wie mit Sportfans. Die Begeisterung für eine Mannschaft oder einen Sportler bildet ein Zusammengehörigkeitsgefühl, grenzt jedoch die eine Gruppe Menschen gegen die andere ab. So lange du dein Selbstwertgefühl aus der Identifikation mit materiellen Gütern, also Gegenständen und Dingen ziehst, bist du von ihnen abhängig und nicht wirklich frei.
Wenn du dir einfach mal überlegst, wie viele Dinge du in deiner Wohnung oder deinem Haus beherbergst, die du gar nicht mehr brauchst, wird vermutlich eine lange Liste dabei herauskommen. Warum trennst du dich davon nicht einfach? Das tut der Psyche gut und entlastet.
Vielleicht überlegst du bei Werbungen einmal, ob sie dir die Dinge nicht schönreden will. Am sichersten ist es für dich, in dich hinein zu hören und zu fühlen. Finde heraus was du wirklich brauchst. Höre doch mal probeweise auf dein Neugeborenen-Ich und dein Höheres-Ich, was dir entspricht, um die Dinge machen zu können, die du wirklich tun willst. Wahrscheinlich kommst du dann dahinter, was für dich nur Ballast ist. Ich gebe mich damit nicht mehr ab. Seitdem geht es mir wesentlich besser.
Du solltest nicht Hals über Kopf alles wegschmeißen, verschenken oder verkaufen, was du hast. Das ist auch keine Lösung. Vor allem nicht, wenn du vertragliche oder anderweitige Verpflichtungen eingegangen bist, um das zu erwerben, was dich nun stört. Solltest du ein Haus gekauft haben, das dich jetzt mehr belastet, als dass es dir Freude bereitet, dann kommst du aus der Nummer womöglich nicht sofort heraus. Schau doch, ob du Mitbewohner oder Untermieter aufnehmen kannst, die dir beim Abzahlen deiner Schulden helfen und die du magst. Oder vermiete es und suche dir eine kleine Wohnung. Warte ab, bis deine Kredite es dir erlauben, das Haus ohne großen Verlust zu verkaufen. Ebenso verhält es sich mit allem, was du sonst noch auf Kredit gekauft hast.
Was ich sagen wollte, ist einfach, dass du dich auch langfristig von allem Hab und Gut trennen solltest, das dich eher belastet, als dass es dir hilft.
Es gibt drei Richtlinien, an denen du gut ermessen kannst, ob dir Dinge wichtig sind: Braucht dein Neugeborenen-Ich es? Benötigst du es, um deiner Berufung im Leben nachzugehen? Würde es dir das Herz brechen, es wegzugeben oder zu verkaufen? Wenn du alle drei Fragen mit einem klaren Nein beantworten kannst, ist es sehr wahrscheinlich, dass du darauf verzichten kannst. Weiter eingrenzen kannst du es mit den Fragen: Hilft es mir dabei, meine Überreizung abzubauen? Benötige ich es, um Sicherheit zu erlangen? Fühle ich mich damit sehr wohl?
Ich habe einmal mit dem Gedanken gespielt, ad hoc ins Ausland auszuwandern. Da habe ich mich gefragt, was ich mitnehmen würde, wenn ich nur zwei Koffer zur Verfügung hätte. Meine Antwort: meinen Laptop zum Schreiben und meine Fotos auf einer Festplatte. Mein Smartphone mit allen Kontakten. Meine fünf Lieblingsbücher. Ein paar Lieblingsklamotten. Fertig. Mittlerweile würde ich statt der Bücher meinen prallgefüllten E‑Book-Reader und zusätzlich meine Gitarre mitnehmen.
Die meisten Hochsensiblen sind so konstruiert, dass wir mit wenig auskommen und es für uns auch besser ist, wenn wir uns nicht mit Dingen überhäufen. Das fördert nur die Überreizung. Hast du dir nicht auch schon mal ein einfacheres Leben gewünscht? Dieses einfachere Leben fängt damit an, sich weniger mit Zeugs zu belasten.
Viel Spaß beim Ausräumen.
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Ich bitte Sie, das Vorwort und das Kapitel Selbstentwicklung zu lesen, bevor Sie fortfahren.