Stellen wir uns doch einmal uns selbst als Gefäß vor. Unser Geist ist ein Behälter, der bis zum Rand gefüllt ist. Wenn du jetzt in diesem Moment in dich hinein spürst, wirst du wahrscheinlich Ruhe und Frieden spüren, vielleicht Stress oder Gereiztheit. Vielleicht ärgerst du dich über jemanden und vielleicht gibt es sogar den einen oder anderen Menschen, der dich nervt oder den du sogar hasst. Vielleicht beneidest du deinen Nachbarn, vielleicht hast du Angst um deine Arbeitsstelle, vielleicht hast du Angst, was passieren wird, wenn dir einmal das Geld ausgeht. Vielleicht liebst du deine Kinder oder deinen Partner.
Egal welches Gefühl wir zum Beispiel nehmen, als untersten gemeinsamen Nenner gibt es nur zwei Pole, die sich gegenseitig abstoßen. Liebe und Angst.
Jetzt denkst du vielleicht, dass doch aber der Gegensatz von Liebe Hass ist. Liebe und Hass liegen doch so eng beieinander? So haben wir es in unserem Kulturkreis gelernt.
Doch was ist Hass eigentlich?
Hass ist eine der stärksten Formen der Angst, die sich gegen jemanden oder etwas richtet, der oder das dich in der Vergangenheit tief oder oft verletzt hat. Er soll dich davor schützen, wieder und wieder lebensbedrohliche Verletzungen zu erleiden. Wann wird aus Liebe Hass? Immer, wenn jemand zutiefst verletzt wurde, womöglich sogar wieder und wieder, weil man es aus Liebe zugelassen hat, bis die eigene Existenz bedroht wird.
Was ist mit Neid und Habgier?
Beide entspringen der Angst, selbst zu kurz zu kommen. Neidisch schaut der auf seinen Nachbarn, der Angst hat, dass dieser mehr bekommt, als man selbst. Die Angst ungerecht behandelt zu werden, bricht sich Bahn.
Habgierig oder gierig nach der Befriedigung all seiner Gelüste ist der, der Angst hat, irgendwann ohne alles dastehen zu können. Deswegen wird so viel zusammengerafft, wie nur möglich. Damit soll für alle Zeiten sichergestellt werden, dass er seine Bedürfnisse befriedigen kann.
Fremdenhass ist nichts weiter als die Angst, dass die Fremden die vertraute Umgebung verändern und ihre Einflüsse aus dem Herkunftsland geltend machen. Sie reißen einen womöglich aus dem gewohnten Umfeld, wenn immer mehr ihrer Kultur in seinem Umfeld erblüht. Außerdem könnten die Fremden etwas bekommen, das ihnen nicht zusteht oder einem etwas wegnehmen durch die Ansprüche, die sie erheben.
Eifersucht ist nichts anderes, als die Angst einen geliebten Menschen an jemand anderen zu verlieren.
Angst ist das Gefühl oder die Vorstellung, durch etwas zu Schaden zu kommen, der irreparabel ist.
Geduld hingegen ist die Liebe gegenüber den anderen, sich an ihre Geschwindigkeit anzupassen und ihnen Raum für sich zu lassen.
Fürsorge ist die Liebe, dem anderen das zu gönnen, was er für die Abdeckung seiner Bedürfnisse benötigt.
Hilfeleistung ist die Liebe, den anderen bei seiner Entwicklung oder in seinen Schwächen und Unzulänglichkeiten zu unterstützen.
Liebe ist die Fähigkeit, den anderen zu nehmen, wie er ist, ihm Raum zu geben und ihn sich entwickeln zu lassen, wie er es benötigt. Liebe kennt außerdem keine Bedingungen.
Es gibt zahlreiche andere Beispiele für Liebe und Angst.
Liebe kann auf viele Arten ausgedrückt werden.
»Du bist mein Freund.«
»Pass auf dich auf.«
»Fahr vorsichtig und komm gut an.«
»Brauchst du noch etwas?«
»Meldest du dich, wenn du gut angekommen bist?«
»Kann ich dir irgendwie helfen?«
Dann sind da noch die Ängste vor dem Dunkel, vor dem Wasser, vor bestimmten Lebewesen, vor der Zukunft, vor der Höhe, vor engen Räumen, Beklemmungen, Depressionen, Krankheiten, dem Tod.
Ängste fesseln uns. Sie halten uns davon ab, Dinge zu tun, die wir ohne sie genießen könnten. Je mehr wir davon mit uns herumtragen, desto mehr fühlt es sich an, wie ein Netz, das sich immer enger um uns herum schlingt, bis wir zu ersticken drohen. Viele Menschen sagen heutzutage, dass Ängste gut sind, denn sie halten uns davon ab, Torheiten oder Böses zu begehen. Ich sage, dass unser gutes Gefühl uns sowieso davon abhält. Ängste werden gerne geschürt, um Menschen besser kontrollieren und Macht über sie ausüben zu können.
Nun kehren wir zurück zu unserer Vorstellung, wir wären ein Gefäß, das bis zum Rand gefüllt ist. Womit gefüllt? Das kommt ganz darauf an. Wenn uns als Füllung nur verschiedene Variationen der Liebe und der Angst zur Verfügung stehen, können wir lediglich das Mischungsverhältnis variieren. Lassen wir mehr Ängste zu, verdrängen diese Anteile der Liebe. Sind wir komplett mit Angst gefüllt, hat Liebe keinen Platz mehr in unserem Leben.
Anders herum können wir Ängste überwinden und ablassen, dann fließt wieder mehr Liebe in den Behälter unseres Geistes.
Zwei Merksätze haben mir geholfen, das Verhältnis zu ändern.
»Angst fesselt, Liebe befreit.« und »Wenn du aus Liebe handelst, kannst du nichts falsch machen, wenn du aus Angst handelst, kannst du nichts richtig machen.«
Eine zweite Vorstellung erklärt es vielleicht noch treffender: Stell dir vor, in dir ist ein leerer Raum. Dieser Raum ist bei deiner Geburt voller Licht, das Wärme ausstrahlt. Nach und nach werden Ängste in diesen Raum geworfen und bedecken das Licht. Nehmen die Ängste Überhand, wird es in dir dunkel und kalt. Beseitigst du die Ängste, kommen Licht und Wärme wieder zum Vorschein.
<Weltliches | Ängste> |
Sie befinden sich mitten im Buch. Starten Sie mit dem Lesen bitte am Anfang.
Ich bitte Sie, das Vorwort und das Kapitel Selbstentwicklung zu lesen, bevor Sie fortfahren.